Mit Rafał Bartek, dem Vorsitzenden des VdG, sprach Krzysztof Świerc über das vergangene ereignisreiche Jahr und seine Pläne für die kommenden 12 Monate.
Herr Vorsitzender, wie war das vergangene Jahr für die deutsche Minderheit?
Es war für uns ein Jahr mit vielen wichtigen Ereignissen. Anfang 2024 erhielten wir eine wichtige Entscheidung des Bildungsministers, die die Diskriminierung von Kindern der deutschen Minderheit rückgängig machte, indem sie drei Stunden Deutschunterricht für sie wieder einführte. Damit sind wir in einen Zustand zurückgekehrt, in dem unsere Kinder die gleichen Rechte haben wie die Kinder anderer in Polen lebender Minderheiten. Im vergangenen Jahr fanden auch Kommunalwahlen statt, die aus Sicht der Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln besonders wichtig sind, aber man sollte nicht vergessen, dass sie auch in anderen Regionen Polens eine wichtige Rolle für uns spielen. Denn die Personen, die zu Gemeindevorstehern und Bürgermeistern gewählt werden, haben letztlich einen entscheidenden Einfluss darauf, ob die Rechte der Minderheiten in den von ihnen verwalteten Gebieten umgesetzt werden oder nicht. Ein Beispiel: In der letzten Sitzung des VdG-Vorstandes habe ich mit Bedauern von Kollegen aus der Woiwodschaft Schlesien gehört, dass zwei Gemeinden, die die Möglichkeit haben, zweisprachige Ortsnamen einzuführen, weil sie alle Verfahren erfüllt haben, plötzlich Zweifel entwickelt haben und sich daraus zurückziehen wollen.
Da die Bewohner und Gemeinderäte einmal diese Entscheidung getroffen haben, ist es angebracht, sie zu respektieren…
Ja. Es ist nicht richtig, dass sich jemand nach einer Wahl das Recht anmaßt, über solch sensible Themen neu zu entscheiden! Minderheitenrechte, das sind heikle, emotionale Themen, die zur intimen Sphäre gehören, dass wir uns entweder in einem bestimmten Umfeld respektiert fühlen und unsere Anwesenheit dort als Minderheit als einen gewissen Wert sehen, oder umgekehrt. Deshalb bedauere ich die Information, dass solche Stimmen heute unter den beiden neuen Gemeindeverwaltungen aufgetaucht sind.
Was ist sonst noch an wichtigen Ereignissen des vergangenen Jahres für die Minderheit erwähnenswert?
Erwähnenswert ist die Ernennung des ehemaligen Abgeordneten der Minderheit Ryszard Galla zum Berater des Sejm-Marschalls für nationale und ethnische Minderheiten. In einer Zeit, in der es keinen Parlamentarier im Auftrag der Minderheiten gibt, ist dies eine wichtige Entwicklung für uns, weil wir einen Mann haben, der politischen Einfluss auf das Geschehen im Parlament hat. Für kleine Minderheitengemeinschaften, die auf Unterstützung und staatliche Fürsorge angewiesen sind, eine gute Nachricht! Im Jahr 2024 geschahen für uns auch wichtige Dinge in Bezug auf den Aufbau und die Planung von Projekten sowie die Suche nach Unterstützung auf deutscher Seite, von der die Minderheit immer noch stark abhängig ist. Deshalb waren wir auch in diesem Bereich im letzten Jahr sehr aktiv, um unsere Zusammenarbeit für die Zukunft noch besser zu strukturieren und unsere Aufgaben, die letztlich dem Erhalt der kulturellen und sprachlichen Identität der Minderheit dienen, noch effizienter zu erfüllen.
Waren die Kommunalwahlen im vergangenen Jahr Ihrer Meinung nach erfolgreich?
Ja, aber… Wir haben beschlossen, uns in gewisser Weise zu verändern, weil sich das Umfeld und die Realität, in der wir tätig sind, stark verändern. Diesem Wandel gingen Analysen über den Umgang mit der Politik voraus. Wenn man sich die Politik in den USA oder in Deutschland anschaut, stellt man fest, dass sie – nennen wir es mal – zunehmend „plakativ“ ist. Die Diskussion über Nuancen, über Details des Programms tritt in den Hintergrund – es zählen zwei, drei Leitparolen, und alle Details gehen verloren. Wir wussten auch, dass das Wahlkomitee Deutsche Minderheit über Nuancen diskutierte, z. B. Sprachunterricht und kulturelle Autonomie. Wir hatten das Gefühl, dass dies nicht auf breite Zustimmung in der Gemeinschaft stößt. Deshalb haben wir beschlossen, die Regionalität zu betonen, die die Bevölkerung stärker anspricht. Wir waren auch der Meinung, dass es von großem Wert ist, dass wir in einem Territorium leben, unabhängig von unseren Wurzeln und unserer Herkunft, und deshalb haben wir beschlossen, das Wahlkomitee Schlesische Selbstverwalter zu gründen. Meiner Meinung nach war das absolut notwendig! Wie sich herausstellte, war es auch die richtige Entscheidung, denn die Wahlergebnisse waren gut für uns. Außerdem hat uns diese Entscheidung eine Verschnaufpause gegeben und eine Perspektive für die Zukunft geschaffen.
Die Zugehörigkeit zu einem größeren Konsortium bedeutet jedoch, dass bei der nächsten Wahl nicht alles von der deutschen Minderheit abhängen wird.
Dessen bin ich mir bewusst. Ich weiß, dass viele andere Faktoren jetzt unser Ergebnis bestimmen werden. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass wir konkrete Grundlagen für gute, ja sogar bessere Dinge geschaffen haben, und durch unsere sozialen und bürgerlichen Aktivitäten werden wir diese Grundlagen für die Zukunft sukzessive stärken. Es sollte auch betont werden, dass wir als Minderheit nicht aus der politischen Diskussion verschwinden. Im Gegenteil, wir sind ein wichtiger Teil dieses neuen Organismus, des Wahlkomitees Schlesische Selbstverwalter, und ohne Minderheitenthemen, ohne Minderheit, gibt es kein regionales Alleinstellungsmerkmal. Das ist extrem wichtig. Andererseits, wie sich das in den nächsten Jahren entwickeln wird, wird die Zeit zeigen, aber wir haben auf jeden Fall neuen, frischen Wind bekommen.
Schlesische Selbstverwalter setzen auf Regionalität, was die Bevölkerung anspricht.
Das Jahr 2025 liegt vor uns. Was sind die Prioritäten für die Deutsche Minderheit, für Sie?
Wir sind ein Mikroteil der großen Welt und wir betrachten sie aus der Perspektive, in der wir uns befinden. Wir nehmen politische Veränderungen wahr, z. B. im geopolitischen Kontext rund um die US-Wahlen, das Funktionieren und die Aggression Russlands oder die wachsende Rolle Chinas. Das wiederum wirkt sich auf die Lage und die Position Europas aus, wo Deutschland mit seiner starken Wirtschaft eine Schlüsselrolle spielt. Nun aber ist man in Atemnot geraten und ist daher mittlerweile stärker als in den vergangenen Jahrzehnten mit sich selbst und seinen internen Herausforderungen beschäftigt. Deshalb wächst die Rolle Polens. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Zeit, in der Polen die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, und wie der amtierende polnische Botschafter in Deutschland in seiner Rede in Heidelberg sagte – das Duo Polen und Deutschland kann im Moment eine Schlüsselrolle für die Zukunft Europas spielen, aber wird es das auch? Vieles hängt davon ab, wie die Regierung in Deutschland nach dem 23. Februar aussehen wird. Für mich ist es wichtig, dass wir unsere Rolle in all dem finden, und das können wird nur, wenn wir aktiv sind und unsere Bedürfnisse und Herausforderungen artikulieren, was auch der Fall ist.
Konkret?
Wir haben im Februar letzten Jahres ein Sonderpapier herausgegeben, in dem wir in 12 Punkten die Prioritäten unserer Minderheitenpolitik für die nächsten Jahre und die wichtigsten Herausforderungen dargelegt haben. Eine davon wird sein, wenn in Deutschland eine neue Regierung gebildet wird, uns darum zu bemühen, dass sie ein Partner für die Themen ist, die uns wichtig sind – den Erhalt von Kultur und Sprache. Es muss uns auch ein Anliegen sein, die Chance zu nutzen, die sich heute durch den neuen, offenen Umgang der polnischen Regierung mit den Minderheitenthemen ergeben hat. Das spüren wir besonders bei Innenminister Tomasz Siemoniak und wir wissen, dass er ein Partner ist, mit dem wir die Politik mitgestalten können, weil er für unsere Stimme offen ist. Das hat er zum Beispiel im Januar dieses Jahres zum 20. Jahrestag des Gesetzes über nationale und ethnische Minderheiten gezeigt, als er eine Pressekonferenz abhielt und sagte, dass die Minderheiten ein wichtiger Teil Polens sind. Dies ist ein Signal, das in die Welt hinausgeht und besagt, dass diese Regierung im Gegensatz zur vorherigen Regierung in Warschau offen über die Probleme und Herausforderungen sprechen will, mit denen Polens kleine Minderheitengemeinschaften konfrontiert sind, jedoch unter dem Gesichtspunkt der Kultur, des Erbes und der Demokratie. Denken wir an den Leitspruch: Die Stärke der Demokratie eines Landes zeigt sich darin, wie es mit seinen Minderheiten umgeht.