Niezamazane lekcje życia

wochenblatt.pl 2 tygodni temu

Stillgeschwiegen – Die Vertriebenen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und DDR“ ist der Titel einer Wanderausstellung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, die in Niesky gezeigt wird. Niesky in der Niederschlesischen Oberlausitz ist ein Restteil des historischen Schlesiens, der bei Deutschland blieb.

Zwei Katholiken in der Diaspora: Pfr. Krystian Burczek (re.) begrüßt Johann Wagner, dessen Großvater aus Gleiwitz flüchten musste.

Vertriebene in der SBZ und DDR durften sich, anders als jene im Westen Deutschlands, weder in eigenen Organisationen zusammenschließen noch zum eigenen oder kollektiven Schicksal bekennen. Die Tabuisierung war total, ihr Schicksal blieb Privatsache, obwohl sie mit rund 4,3 Millionen knapp 25 % der Gesamtbevölkerung darstellten.

„Es war kein Thema für die Gesellschaft. Meine Mutter hat auf der Stadt in Rotenburg gearbeitet, da waren Flüchtlinge nicht erwünscht. Dies war nur unter uns und den Eltern ein Gesprächsthema“, sagt Carmen Bötig aus Rothenburg/Oberlausitz. Sie reiste zusammen mit ihrer Freundin, Birgit Balzer, nach Niesky. Seit den frühen 90er Jahren sammelt Bötig Familienerinnerungen aus den Heimatgebieten ihrer Vorfahren und von der Flucht ihrer Angehörigen. „Meine Eltern sind beide 1945 aus Schlesien geflohen, auch meine Großeltern. Mein Vater kommt aus Liebichau (Lubiechów) im Kreis Mallmitz (Małomice) und meine Mutter aus Leippa (Lipna), damals Kreis Rothenburg/Oberlausitz. Beide sind im Januar/Anfang Februar bis nach Hoyerswerda geflüchtet und von dort aus sind sie nach Kriegsende 1945 wieder in die Heimat zurückgegangen, bis der Beschluss kam: ‚Alle Schlesier raus!‘“, sagt sie und zeigt ein Bild des väterlichen Familienhauses in Liebichau. „Im August 1945 wurden sie noch einmal gezwungen, über die Neiße zu gehen und landeten in Lodenau, einem Ortsteil von Rothenburg, wo sie blieben“, erzählt sie.

Erkennen vieles aus Erzählungen wieder: Gustav (16) und seine Großmutter Claudia Tomisch

Bewegende Geschichten

Bötig sucht nach weiteren Bildern und zeigt sie ihrer Freundin. Die alte Heimat ihrer Mutter, Leippa, sei nur acht Kilometer von der neuen entfernt und doch für sie unerreichbar geblieben. „Bei meinem Vater war das noch eine nähere Bindung, denn in seinem Heimatort gab es die Liebichauer Freunde, diese hatten im Ort einen Gedenkstein für die alten Liebichauer und Mallmitzer, die dort noch beerdigt worden sind, gesetzt. Der Stein steht heute noch, zu dem kann man noch hinfahren“, weiß die Grundschullehrerin Carmen Bötig.

Der Himmelwitzer Geistliche, Krystian Burczek, rückt Vertriebenengeschichten in die Lebensmitte.

Hocherfreut erspäht sie unter den Ausstellungsbesuchern ihren einstigen Schüler, den 16-jährigen Gustav. Er kam mit seiner Großmutter zur Ausstellungseröffnung, weil die Geschichte der Vertreibung „in meiner Familie deutlich zu spüren ist. Die Großeltern waren beide Geflüchtete und ihre Geschichte bewegt mich“, sagt er. Wie klein doch die Welt der Vertriebenen sei, muss Gustavs Großmutter, Claudia Tomisch, feststellen: „Meine Großeltern flohen ebenfalls aus Liebichau, da muss ich doch mit der Lehrerin Verbindung aufnehmen“, so Tomisch, deren Angehörigen auch aus Mühlbock (Ołobok) vertrieben wurden.

Dr. Jens Baumann (li.) hört sich Familiengeschichten an: Tilmann Havenstein erzählt von der Familie aus Krummhübel (Karpacz) und Marc-Pawel Halatsch von Vorfahren aus Leobschütz (Głubczyce).

In der neuen Heimat

Genau so einen Austausch wünscht sich Pfr. Krystian Burczek mit der ersten Ausstellung in dem von ihm erworbenen und bereits teilsaniertem einstigen Holzkonsum. Auch er habe seine oberschlesische Heimat Himmelwitz (Jemielnica) vor 30 Jahren verlassen, sagt er, jedoch freiwillig. Der damalige Bischof der Apostolischen Administratur Görlitz, Bernhard Huhn, bat den Oppelner Bischof Alfons Nossol, einen Priester in die katholische Diaspora zur Aushilfe zu entsenden. Weil Pfr. Burczek zuhause Deutsch sprach, hatte er sich dafür gemeldet. „Ich habe Görlitz gewählt, weil es nicht so weit von der Heimat ist“, sagt er. Sehr schnell habe er festgestellt, dass es in dem Restteil des einstigen Bistums Breslau und des Landstrichs Schlesien kulturelle und mentale Gemeinsamkeiten zu seiner Heimat gebe: „Ich bin Schlesier, mein Name klingt polnisch, manche denken, ich sei Pole, manchmal habe ich gelitten. Doch das Schlesische ist eine Substanz des Zusammenseins, über dem die hl. Hedwig, die aus Andechs nach Trebnitz kam, steht, und seit 30 Jahren Schutzpatronin des Bistums, der Stadt Görlitz und der Verständigung ist“, sagt der Himmelwitzer. „Das ist unsere gemeinsame Geschichte und auch die Bräuche innerhalb der Kirche, von denen ich vieles von zuhause kannte – das fand ich hier wieder“, erklärt Burczek, der 20 Jahre lang in Niesky Pfarrer war und seit zwei Jahren als Gefängnisseelsorger in Cottbus und Görlitz tätig ist.

Neue Lebensmitte

Durch den Kauf des Holzhauses ist Krystian Burczek nicht ganz weg aus Niesky. Der historische Lebensmittelladen, der „Holzkonsum” stammt, wie viele weitere Holzbauten der Moderne in Niesky, von der Firma Christoph & Unmack – Europas größter und damals innovativster Firma für industriell vorgefertigte Holzbauten. Auf der Fassade des Gebäudes ist noch das Wort „Lebensmitte“ zu lesen. Es ist unter einem entfernten Schild erhalten geblieben. Von dem Wort „Lebensmittel“ ist mit der Zeit das letzte „l“ abgefallen und zu lesen blieb nun das Wort „Lebensmitte“. Für Burczek sei es ein Wink mit dem Zaunpfahl; er ließ es nicht überstreichen, denn er wolle dieses Gebäude zur Lebensmitte der Nieskyer etablieren. Er hofft, dass die Ausstellung „Stillgeschwiegen“ die Menschen zum Nachdenken bringt und nicht, wie in Stefan Heyms „Geschichte vom Buch der sieben Siegel“ endet, in der ein Mann im Sand schreibt und alles, was er aufschreibt, vom Wind verweht wird.

Erinnerungen werden wach: Carmen Bötig tauscht sich mit ihrer Freundin Birgit Balzer aus.
Fotos: K. Kandzia

Aus dieser Erzählung zitiert Dr. Jens Baumann, Beauftragter für Vertriebene und Aussiedlerfragen im Freistaat Sachsen bei der Eröffnung: „Der Mensch verwischt selbst die Lehren des Lebens, die Buchseiten, in denen es darum geht, wie vermeiden wir Kriege und menschliche Tragödien“, sagt er.

Die Wanderausstellung „Stillgeschwiegen“ im Holzkonsum Niesky in der Konrad-Wachsmann-Straße 32 kann bis zum 29. September besichtigt werden. Der Eintritt ist frei, Anmeldung im Museum Niesky, Telefon (03588) 22 397 93 oder (03588) 25 600, E-Mail: [email protected].

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